Auf diesem Foto seht ihr mich – mies gelaunt – am Steuer eines PKWs. Nach 17 Jahren ohne Auto übe ich widerwillig wieder das Fahren – für den Notfall. Und da ich bei diesen Übungsfahrten regelmäßig von „#Autoscham“ befallen werde, berichte ich nun kurz, warum es soweit gekommen ist.
Laut meiner kleinen Umfrage sollte ich eigentlich mal was über die Infrastruktur schreiben, also die, die man braucht, um vernünftig (also schnell, sicher und bequem) zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV von A nach B zu kommen. Im Moment beschäftigt mich leider etwas anderes, was aber auch in gewisser Weise mit Infrastruktur zu tun hat, nämlich mit dem Fehlen derselben.
Naja, so kann man das auch nicht sagen. Es gibt ja schon (wenn auch oft zugeparkte) Bürgersteige, man kann bei fehlenden Radwegen ja auch (mit entsprechender Stresstoleranz) mit dem Fahrrad auf der Straße fahren, und es gibt sie ja schon, eine Infrastruktur von Bus und Bahn, aber die ist absolut unzureichend und einfach nur unzuverlässig.
Warum fühle ich mich auf einmal wieder „forced to drive“ – also dazu gezwungen, dafür zu sorgen, im Notfall auf das Auto auszuweichen zu können?
Aus privaten Gründen sind diverse kleinere Reisen in unserer Familie dieses Jahr ausgefallen. Wegen einer Corona-Infektion, wegen Streiks, wegen eines Todesfalls, und jetzt wurde noch ein weiterer kleiner Familienausflug abgesagt und in den Herbst verschoben, wegen eines Wasserschadens in der Jugendherberge. Das alles hat unsere Kinder, vor allem Kind 1, ziemlich zugesetzt, so dass ich es nicht mehr auf die eigene Kappe nehmen will, dass so ein Familienausflug – wenigstens die am heißesten ersehnten Familienausflüge – ausfallen würde, wegen, nur zum Beispiel, so etwas wie einem Bahnstreik.
Trauriges Fazit: Ich übe jetzt wieder Autofahren – für den „Notfall“, weil die öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland zu unzuverlässig geworden sind.
Ich hoffe, ich werde diese Notfall-Option nicht brauchen, nehme mir aber vor, in Zukunft zumindest alle ein oder zwei Monate mal eine Übungsfahrt zu machen, um nicht wie in den vergangenen 17 Jahren wieder total einzurosten. Dabei werde ich natürlich darauf achten, das Üben mit etwas Nützlichem zu verbinden.
Zum Beispiel, um Kind 1 zumindest bei einer Freizeitaktivität das sonst immer präsente Ohne-Auto-Außenseiter-Gefühl mal zu ersparen, bringe ich die Kinder jetzt zu den meist nicht per ÖPNV erreichbaren Treffpunkten des Waldalgesheimer Jugend-LARP, sofern es sonst keine Mitfahrgelegenheit für sie gibt (was alle paar Monate mal vorkommt). Oder ich erspare der Oma endlich die peinlichen Fragen der Nachbarschaft zu ihrem zu Fuß Getränke einkaufenden Sohn.
Derweil träume ich von einer hoffentlich irgendwann wieder so gut und zuverlässig wie früher einmal funktionierenden Bahn: Man denke nur an Redewendungen wie „Pünktlich wie die Eisenbahn“ oder an den früheren Bahn-Werbespruch „Wir fahren bei jedem Wetter“ …
Liebe Esther, 99 % Auto-frei ist super. Wäre gut, wenn alle es so machten und für die 1 % Auto Urstrom-Carsharing nutzten. Leider bin ich noch Miteigentümerin eines von mir boykottieren Autos. Ich rätsle immer noch, wie ich einen Hardliner umstimmen kann. Was ist so wichtig daran? Wir sind kaum unterwegs. Ich dann immer mit dem Rad. Der Auto-km ist zwischenzeitlich durch Wenignuttung unheimlich teuer geworden. Ein Auto zu halten ist eine Fehlinvestition.
Ich danke Dir für Deine Worte, liebe Edith! Was bin ich froh, dass mein Schatz und ich uns bei diesem Thema ziemlich einig sind. Und wie recht Du hast: Ursprünglich waren die hohen Geasmtkosten, die ein eigenes Auto so mit sich bringt, auch ein wichtiger Faktor für uns, es abzuschaffen.